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TU-Graz-Beyond

Ein interdisziplinäres Team der TU Graz revolutioniert die Planung nachhaltiger Gebäude. Mittels VR-Simulation werden die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Baumaßnahmen in Echtzeit sichtbar.

Energiedienstleistungen der nächsten Generation sollen Endnutzer eines Gebäudes dabei helfen, die Vorteile neuer energieeffizienter Technologien oder thermischer Sanierungsmaßnahmen zu verstehen und zu visualisieren. Dazu gehört etwa die Steuerung von Heizung und Kühlung, der Beleuchtung oder der Belüftung. Um ein solches Angebot zu realisieren, hat Christina Hopfe, Leiterin des Instituts für Bauphysik, Gebäudetechnik und Hochbau der TU Graz, im Projekt BEYOND TU Graz-Kollegen aus den Bereichen virtuelle Realität, maschinelles Lernen, physikalische Simulation und Internet der Dinge um sich versammelt. Entstanden ist dabei eine Virtual-Reality-Umgebung, in der Nutzer die physikalischen Parameter eines Gebäudes verändern und die Auswirkungen dieser Veränderung in Echtzeit erleben können. Damit sind sie selbst in der Lage, ein korrekt geplantes energieeffizientes Gebäude zu realistischen Kosten zu entwerfen bzw. ein bestehendes energetisch zu verbessern. Durch seinen Fokus steht das Projekt auch im Einklang mit den laufenden Nachhaltigkeitsinitiativen der TU Graz, einschließlich des Ziels, bis 2030 klimaneutral zu sein.

Visuelles und akustisches Feedback

In der BEYOND-Simulation ändern die Teilnehmer in einer virtuellen Umgebung die Eigenschaften eines Gebäudes oder Raumes und erhalten durch Anzeigen und Audiohinweise zusätzliche Informationen. Das wird ergänzt durch haptisches Feedback über den Controller und Audiosignale zu positiven und negativen Auswirkungen dieser Änderungen. Wenn es etwa gilt, eine Wand zu dämmen, ist nicht nur der Wandaufbau und Materialeinsatz relevant, sondern auch die dabei entstehenden Kosten. Auch die Größe der Fensterflächen hat unterschiedliche Effekte. Mehr Tageslicht wirkt sich positiv auf die Menschen aus. Fenster haben jedoch in der Regel einen hohen Wärmedurchgangskoeffizienten, was in den kälteren Jahreszeiten zu größeren Energieverlusten führt als bei einer gedämmten Fassade. Umgekehrt kann eine Verglasung auch solare Gewinne einfangen, wodurch Fenster effektiv zu Heizkörpern werden. Das hat im Winter Vorteile, kann aber auch zu sommerlicher Überwärmung führen.

Durch das eindeutige Feedback lernen die Nutzer die Vor- und Nachteile verschiedener Maßnahmen in Gebäuden besser zu verstehen. Das macht diese Anwendung nicht nur wertvoll für Architekten, Planer und Eigentümer, sondern auch für Endnutzer und Studenten, die mit BEYOND als interaktivem Lehrmittel die Themen Bauphysik und Gebäudeverhalten besser verstehen lernen. Um den Anforderungen der verschiedenen Anwender gerecht zu werden, lassen sich die Parameter eines Gebäudes in verschiedenen Detailstufen verändern. So können allgemeine bzw. "Was-wäre-wenn"-Fragen wie: „Was passiert, wenn die Außentemperatur um drei Grad Celsius steigt oder wenn die Art oder Position der Dämmschicht verändert wird?“ ebenso untersucht werden wie technische Fragen, etwa nach der Veränderung des Energieverbrauchs bei erhöhten oder verringerten Heiz- oder Kühlsollwerten.

Zusammenführung von drei Technologien

Einzigartig am Projekt BEYOND ist die Kopplung von drei Technologien und Methoden. Neben einer Virtual-Reality-Umgebung kommen für die Verarbeitung, Darstellung und Veränderungsprognosen der Gebäudedaten maschinelles Lernen und physikalische Simulation zum Einsatz. Hierfür werden mit relevanten Datenpunkten gefütterte mathematische Modelle - sogenannte Ersatz- oder Surrogatmodelle - und Prognosemethoden zur Bereitstellung von Daten genutzt, die es ermöglichen, die tatsächlichen Auswirkungen von Planungseingriffen in Echtzeit zu visualisieren. Als drittes Element sind IoT-Plattformen und Sensornetzwerke für die bidirektionale Echtzeitkommunikation zwischen dem Gebäude und den Benutzern eingebunden.

Gebäudebestand überwiegend ineffizient

Um diese Technologien zusammenzuführen, arbeiteten drei Kernforschungsteams interdisziplinär zusammen. Neben Christina Hopfes Institut waren an der TU Graz noch das Institute of Interactive Systems and Data Science sowie das Institut für Softwaretechnologie gleichermaßen beteiligt. Die EAM Systems GmbH und EnAlytics i.G. waren als Projektpartner an Bord. Gefördert wurde das Projekt von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG im Rahmen des Programms „Stadt der Zukunft“.

„Das Projekt BEYOND behandelt ein interdisziplinäres Thema an der Grenze zwischen Bauphysik, Datenwissenschaft und virtueller Realität“, sagt Christina Hopfe. „Energieeffiziente Gebäude spielen auf dem Weg zur Klimaneutralität eine wichtige Rolle, denn derzeit ist der Gebäudebestand in der EU noch energieintensiv und überwiegend ineffizient - er ist für 40 % des Endenergieverbrauchs und etwa 36% der CO2-Emissionen verantwortlich. BEYOND ermöglicht erstmals die Verbindung von VR-Technologie, realen Gebäudedaten sowie Echtzeitkommunikation und -simulation. Durch das schnelle Feedback des Systems wird den Nutzern der Energieverbrauch von Gebäuden direkt bewusst.“ 

Aus Sicht von Christina Hopfe ist dieses Bewusstsein von zentraler Bedeutung für die Änderung des, insbesondere eigenen, energiebezogenen Verhaltens und für die nachhaltige Gebäudeplanung - und damit für das Erreichen der Klimaziele. Sie erklärt weiter: „Die EU strebt an, bis 2050 klimaneutral zu sein, und das bedeutet, dass die gesamte bebaute Umwelt so umgestaltet werden muss, dass sie netto keine Treibhausgasemissionen mehr erzeugt. Erneuerbare Energien sind ein Teil dieser Lösung, aber auch Energiedienstleistungen wie vorausschauende Wartung, bedarfsseitiges Management oder modellprädiktive Steuerung spielen eine wichtige Rolle bei der Senkung des Energiebedarfs von Gebäuden und verwandeln Gebäude in aktive, intelligente Akteure in übergeordneten Energiesystemen.“

Dieses Projekt ist im Research Center Graz Center of Sustainable Construction sowie in den beiden Fields of Expertise „Sustainable Systems und Information, Communication & Computing angesiedelt, zwei von fünf wissenschaftlichen Stärkefeldern der TU Graz.

Quelle: TU Graz

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